Projektionen
Manche Leute reagieren sehr stark auf sichtbare Behinderungen. Nicht alle, aber manche. Und zwar so stark, dass es ein Thema wird.
Eine Amputation am Arm ist kaum übersehbar, und Reaktionen sind offenbar unvermeidlich, wenn man sich nicht Mühe gibt, den Schaden zu verstecken. Man macht dann allerlei Erfahrungen. Zum Glück viele ganz normale, alltägliche Erfahrungen, und zwar die, dass es nichts oder nicht viel ausmacht.
Da das kaum je ohne auch massivere Gemütsbewegungen bei gewissen Leuten geht, werden aber auch derartige Begegnungen zur alltäglichen Erfahrung. Das in solchen Situationen oft stattfindende weitere Begegnungszentrums kann nur verstanden werden, wenn man sich um das Thema Projektionen kümmert.
Dabei verlässt die Beziehung zwischen angestarrter oder ins Visier genommener behinderter Person und Glotze oder Zuseher dann gerne auch mal den Bereich der gegenseitig einsehbaren Realität und driftet in komplett von meiner alltäglichen und pragmatischen Realität weg liegende Bereiche ab.
Ich sehe das kommen, wie man einen Bagger herum-motoren hört, wie das Heulen einer Sirene, es ist ins Gesicht geschrieben, diese Leute atmen es schon früh, ihre Haltung, vieles strahlt diese Sonderbarkeit aus, die bei mir kein Korrelat hat. Ich weiss schon rasch, da geht ein anderer Film ab als bei mir. Bis es so weit ist, dass man verbal direkt zu lesen bekommt, was sich früh anbahnt, kann es eine Weile brauchen. So erfuhr ich nach einer Weile von einer Bekannten:
wenn ich meine hirngespinnste rund um deine hand baue, hat das etwas fast perverses an sich. ich kann es nicht gut erklären. ungefähr, als hättest du nicht die genau gleichen rechten, das verhalten, das dir passt zu wählen, ohne daran erinnert zu werden. ich werde weiter darüber denken, es ist glaube ich etwas sehr wichtiges für mich dabei, was ich verstehen muss. eine umkehrung der wirklichkeit, oder so. es ist ganz schlimm, was ich gemacht habe. ich bin zutiefst erschrocken von meiner anmassung, bitte um verzeihung. ich wünsch dir ganz gute erholung, von allem und von menschen die dir das antun, was ich gerade.
Nicht immer nimmt man sich fast ein Jahr Zeit, um die Fragen zu ergründen, die einen selbst und das Gegenüber beschäftigen. Die Kunst besteht vielmehr darin, den Gesamtraum der Möglichkeiten auszuloten, sich an die Grenzen des Möglichen typischerweise markierende Kernaussagen anzupirschen - da diese aufgrund hoher Tabuisierung als Lippenbekenntnisse nie auf der Strasse liegen - und dann subtile Dinge in den ersten Begegnungen rückblickend einzuordnen. So wird man sehr rasch viel besser.
Eine Person, die derart und stark auf so meine Behinderung reagiert, neigt eben typischerweise dazu, Dinge auf mich zu projizieren, die wenig oder gar keinen Realitätsbezug haben - Erwartungen, Befürchtungen, Vorstellungen, Schwierigkeiten, usw. - alles mögliche wird da gefühlt oder erdacht, was meist sowieso keinerlei Korrelat hat. Und dann eben schon gar nicht mit mir.
Um es gleich zu sagen - kein in sich emotionell verorteter Mensch mit gesundem Selbstbewusstsein nimmt so etwas emotionslos hin. Reaktionslos - warum nicht, doch, ich nehme vieles ohne Reaktion oder mit einer unerwarteten Reaktion hin. Aber niemals emotionslos. Die meist herablassend mitgeteilte Annahme etwa von Glotzern oder Hinsehern, ich müsse mich von ihnen so behandeln lassen, da ich ansonsten wohl ein Problem mit dem Selbstbewusstsein habe, ist ja wohl ein von ihnen erfundenes Märchen. Mir ist es durchaus einfach mal peinlich, behindert angeglotzt zu werden, ich kommuniziere extrem gerne Ability, nicht Disability - gern auch mal als Understatement, aber eindeutig finde ich Ability eine ganz tolle Sache.
Und dann sind es sexuell Aberrante, Fetischisten, die da ärger glotzen oder sich sonst nicht einkriegen. Das ist eine nackte Realität. Ich habe das schon auch umgedreht, umgekehrt, den Spiess umgedreht, in derselben herablassenden Informierung eines derartigen Gegenübers, was jetzt wohl angesagt sei - und derartiges lässt kein/e Perverse/r mit sich machen, derart von oben herab, wie sie es selbst tun, vertragen sie es dann gar nicht. Selbstbewusst schicke ich daher derartige Leute gleich in die Wüste, auf die äussere Umlaufbahn, hinfort in den Orbit. Wer auf derartige Weise austeilt aber nicht sofort einsteckt, handelt unfair, ungleich, was nicht attraktiv ist.
Es ist keineswegs schwer zu erkennen, wenn das stattfindet. Oh nein. Wird man von einer anderen Person als Puppe in deren ureigenem Hirntheater betrachtet, so merkt man das rasch. Oder man sollte alles daransetzen, solche Situationen so schnell wie möglich zu erkennen. Es ist mit Armamputation auch eine fast tägliche Erfahrung, sie ist unangenehm, und geht unter die Haut. Ich merke es, wie ich meine, sehr schnell, aber ich kenne aus der Selbsthilfeszene andere Behinderte, die haben über zwanzig Jahre Erfahrung mit ihrer Behinderung, die riechen das schon gegen den Wind, lange bevor ich es auch feststelle. Die Wahrnehmung ist also weitherum relativ scharf, was das angeht. Oft extrem scharf. Manchmal ganz extrem scharf ist sie, ums ehrlich zu sagen.
Es fühlt sich entfremdend an. Völlig entfremdend. Ich habe ein in gewissem Mass ramponiertes aber insgesamt durchaus genügend intaktes Bild von mir, das dann derart gegenläufig zu derartigen Ansinnen ist, ich müsse mir das als minderwertige Person gefallen lassen, dass der erste Glasbruch in der zarten Scheibe der Begegnung bereits instantan stattfindet. Durch dieses eigentümliche Gefühl wird diese Art der Begegnung für mich absolut unverkennbar. Man kann es gar nicht verpassen. Ich werde darauf je nach Situation wenig oder gar nicht direkt reagieren oder eingehen, zu Anfang besonders - zu meinen, ich merke das nicht, ist aber ein grosser Fehler. So falls Du Dich fragtest, ob Du Dein Gegaffe, wo die Augen hingehen, die Steifheit, das Festhalten, die Ungemütlichkeit, die Themenwahl, etc. bei mir reinschmuggeln kannst: niemals, nein, das wird nicht gehen. Du wirst aber relativ lange glauben, ich hätte es nicht gemerkt. Aber das Miteinander, von dem Du dann ausgehst, das ist halt auch nur in Deinem Kopf.
Werde ich von anderen Leuten übermässig missverstanden, in ihre eigenen Ängste oder Phantasien eingebaut und durch Projektionen auffallend sonderbar beschaut, angesprochen oder auch elektronisch kontaktiert - dann solltest Du verstehen, dass das für mich eine durchaus extreme Erfahrung, eine Ausnahmeerfahrung darstellt - und nicht etwa auf der Achse der Attraktion oder Abstossung, sondern auf der Achse der Groteske, der Absurdität, des Skurrilen, des Schautheaters. Ich nehme es als extrem eigenartig wahr. Aufgrund dessen ist mir dann auch eine "normale Antwort" kaum möglich.
Illustrativ für die Gefühle, die sich dann bei einem regen, wenn man derart eigenartig behandelt wird, ist das folgende Video mit der "GOOD NIGHT DING DING DING" Szene (siehe Youtube Video-Link unten). Es ist unschwer zu erkennen, dass John Cleese in seiner Rolle (der Herr zur rechten) einen sonderbaren Dialog führt. Das zu erkennen ist überhaupt nicht schwer. Ich sehe aufgrund von Augen, Gesicht, Ausdruck einer Person genau so klar gelegentlich schon, bevor diese den Mund öffnet, ob es danach zu Entfremdung, Projektionen, Übertragungen kommen dürfte. Am Anfang wusste ich das nicht so sicher, da war das neu. Aber man findet es dann heraus. Dieses Monty Python-Video vermittelt vor allem, wie stark und deutlich, wie unverkennbar und wie grotesk mir diese Art der Begegnungen erscheinen. Das Opfer von John Cleese bzw. seiner Rolle (Graham Chapman zur Linken) ist dann genauso überfordert wie ich, auf queren Käse adäquat zu reagieren.
Und das ist der Punkt.
Es gibt gar keinen adäquaten Weg, auf derartige Grotesken zu reagieren. Ich könnte ein Lied singen, an eine Glocke schlagen, die Augenbrauen heben - die Sache ist, dass wenn ein Dialog derart schräg anfängt, dass er nicht wirklich zu retten ist. Frei nach Sherlock Holmes ist, wenn es komplett unmöglich ist, eine sinnvolle Antwort zu geben, am sinnvollsten, eine keineswegs sinnvolle Antwort zu geben. Und da ich nicht weiss, was mir morgen dazu einfällt, kann ich es auch nicht vorhersagen.
Zugrunde liegt die offenbar bei einigen Leuten vorhandene Wahrnehmung, Behinderte seien eine Art unbeschriebenes Blatt Papier, eine Art leeres Füllgefäss, die nur darauf warten, von Dingen angefüllt zu werden, die andere übrig haben. Die Extremform dieser angenommenen Leere und der dann stattfindenden Auffüllung ist sicher der Sadomasochismus entsprechend der Definition von Sartre (steht alles schon da irgendwo).
Alltägliche Dinge, die auf mich als Zielscheibe von Projektionen geworfen werden, umfassen hier Dinge, die sich schwer oder nicht lösen lassen. Diese Art der Projektionen erlebe ich immer wieder. Einige davon haben die Charakteristik von Double Binds. Es scheint ein Wesen von Behinderungen zu sein, Leute dazu einzuladen, ihre durchaus eigenartigen Double Binds auf mich anzuwenden.
Beispiel: wie ich zu erscheinen oder auszusehen habe. Zum einen wird verlangt, ich solle zur Behinderung "stehen" und "folglich" keine Prothese tragen, da diese ja "nur dazu diene", die Behinderung zu "verstecken". Andererseits wird gleichzeitig verlangt, ich solle selbständig sein. Ausserdem soll ich durch meine Erscheinung andere aber doch nicht in Verlegenheit bringen. Und zuletzt kann es ja wohl nicht sein, dass ich mich zu Hause zurückziehe - aber auch das ist ein Problem. Derart spannungsreiche Widersprüche lassen sich nicht lösen. Lösung also: keine. Da jede Art der Prothese als solche erkennbar ist, wird da auch nicht wirklich was versteckt. Da durch das Tragen der Prothese meine Arme erst mal etwa gleich lang sind (und ich mich dann bei allen möglichen Aktivitäten weniger verspanne), da der Schaft meinen Arm schützt und komprimiert (und ich dadurch etwas weniger Phantomprobleme habe), ist es sicher so, dass ich die Prothese so oft wie nur möglich trage. Wenn die Haut etwas mitgenommen ist - was zwischendurch passiert - trage ich sie auch mal nicht. Dann habe ich irgendwelche Kompressionssocken oder Elastbinden, um irgendwelchen Überwässerungen vorzubeugen.
Da diese Double Binds fuer mich (und ja, hier nehme ich tatsächlich einen stark egozentrischen Standpunkt ein) keine konstruktiven Lösungen haben (solche interessieren mich schon eher), da diese nirgendwo hin führen (das seht Ihr ja auch so, oder), da sie das Ergebnis von Projektionen sind (die mit mir als Person nicht das geringste zu tun haben, oder dann nur sehr wenig), ist die weitere Zukunft derartiger Ansinnen sicher eher dürftig.
Eigenartige Projektionen: sexuelle Dämonisierung, sexuelle Perversion
Es gibt sexuelle Perversionen, in denen Behinderungen oder sogar Amputationen (Schlagworte: Amelotatismus, Betroffene, die daran leiden, heissen Amelo oder Ameline, Akrotomophilie, Paraphilie) als sexueller Fetisch umgedeutet werden. Dabei ist die Vorliebe laut Definition offenbar nicht als Fetisch anzusehen, aber ein krankhaftes Ausmass eignet sich sehr wohl für dieses Label.
Dazu ist inzwischen versucht worden, Objektfetisch-Kunst herzustellen, deren TV-Ausstrahlung sogar von Otto Bock mitunterstützt wurde. Ich halte das Ergebnis künstlerisch weder für besonders aufschlussreich, erhellend, oder gar gelungen, was die Behinderten-Sicht angeht. Aber was die Situation auf der anderen Seite der Schlucht angeht, also auf Seiten von Leuten, die unter Amelotatismus leiden, war es schon ein aufschlussreiches Projekt.
Mir begegneten inzwischen mindestens etwa zehn lebensgrosse echte Exemplare von Personen, deren unverhohlen prädatorischer Instinkt sie vor allem um meinen ihnen offenbar unausweichlich erscheinenden Armstumpf wickelte. Schlüsselreize sind ja ein Dead Giveaway. Daneben kam es zu einigen weiteren Begegnungen online, die meist ebenso sonderbar verliefen. Ich habe seit den ersten eigenartigen Begegnungen dieser Art begonnen, das Phänomen aus Sicht des Trägers eines Schlüsselreizes zu beforschen. Denn es war stets so, dass zunächst der Schein der Normalität gewahrt werden konnte - aber bei der ersten besten Gelegenheit brach der nackte Wahnsinn los. Und das muss man erst mal mit freundlicher Miene aushalten, um dem im weiteren dann auf die Spur zu kommen.
Ja, ich werde derartigen Leuten stets auf eine bestimmte Weise ausgeliefert sein. Aber derartige Leute sind auch mir auf gewisse Weise stets ausgeliefert, und darin besteht einer ihrer erster ganz grosser Denkfehler. Diese Leute breiten ihre sexuellen Obsessionen wie ein Tuch des Erstickens über andere und denken, das wäre alles, was es dazu zu sagen gibt.
None of you understand. Im not locked up in here with you. Youre locked up in here with me. - - Watchmen (2009) quote by movie character Rorschach
Neben einer sexuellen Obsession mit ihrem Fetisch bzw. Schlüsselreiz - etwa einem Amputationsstumpf - weisen die Betroffenen weitere Eigenheiten auf, etwa tiefgreifende psychologische Probleme, sowie recht häufig die Fantasie, dass sie selbst "normal" seien und dass das, was sie da täten, "normal" sei. Gleichzeitig und ansatzlos werden da Dinge auf Behinderte projiziert, die normalerweise Behinderte nicht wollen, und die auch sie selbst nie auf Nichtbehinderte und geschweige denn sich selbst projiziert sehen wollen. Das verstehen Amelos aber kaum, was dann zu unüberbrückbaren Konflikten führt.
Diese Projektion unakzeptabler Haltungen auf Behinderte, auch auf mich, wird bis zu einem recht fortgeschrittenen Zustand kaum reflektiert und auch auf Mitteilung von aussen kaum eingesehen. Dinge werden falsch, inadäquat oder verkehrt herum benannt - ein gut erkennbarer Hinweis. Aus ihren Obsessionen können sich diese Leute nicht entfernen. Und so sind sie verdammt dazu, hierzu sein - sie könne nicht weglaufen, vor ihren eigenen Verdrehungen schon gar nicht. Das macht es in emotioneller Nähe unaushaltbar. Deswegen ist das Zitat aus Watchmen (2009) (siehe oben) so passend: ich bin diesen Leuten zwar anscheinend schon ein Stück weit ausgeliefert - aber ganz sicher sind diese auch mir ausgeliefert. Und zwar zur freien Beurteilung und Benennung, zur Beleuchtung. Und wenn sich diese nicht bei der Nase nehmen und andauernd meinen, in mich rein rasseln zu müssen, auch zum freien Umgang. Dabei stelle ich fest, dass ich gelegentlich den freieren Umgang habe. Reflektierende Behindertenfetischisten sind die da absolute Ausnahme - es gibt sie, die mit Selbstkritik, Humor, Einsicht, Respekt und Anerkennung - und genau diese lassen mich daher auch in Ruhe, ein Wort und sie sehen die Unmöglichkeit ein, dass andere ihre obsessive Ader aushalten. Soviel Einsicht ist aber selten.
Immer wieder klatschen sie aus dem Himmel der mir unbekannten Personen vor mich hin, die Besessenen, die Perversen, die Fetischisten, die Amelos, die Amelotisten, diese Devotees. Zusammengefasst ist es stets nur gimme pics, gimme video, gimme stories, other than that, follow my orders - because what else is there. Kontinuierlich manifestieren sie sich mir, tun sie sich mir dar. Und es ist für mich immer noch eine der besonders eigenartigen Vorstellungen, in anderen Leuten ihren Gehirnen als "Muss ich haben Accessoire" vor zu kommen.
Dabei habe ich keineswegs etwas gegen ausgefallene Vorlieben, will mich nicht gegen Vorstellungen wehren, die Leute für sich so haben, Wünsche, die sie sich erfüllen möchten. Gar nicht. Es geht ja überhaupt nicht um deren Vorliebe - das wird einem ja vorgehalten, dass es darum ginge, aber das ist es nicht. Es geht ausschliesslich darum, wie Behindertenfetischisten das dar tun, was sie mir vorturnen, was ich hinnehmen soll in dieser Art des "Miteinander", und wie klaglos oder freundlich ich es hinnehmen soll, mich abschätzig behandeln zu lassen, die Double Binds zu ertragen (siehe oben) - das ganze falsch benannte Emotionelle, das da nicht so geradeaus tickt, das dauernde ausgeklinkte Gegaffe, nein, wenn das Miteinander nicht im "Hier und Jetzt" ist, ist da nichts. Und es geht in dieser Betrachtung hier ausschliesslich darum, wie es sich für mich anfühlt - und wie das in argem Kontrast steht dazu, was diese Leute selbst hinzunehmen bereit sind.
Aber wenn erwachsener Respekt, Tauschethik, Würde, Empathie und emotionelle Normalität schnurstracks das Zimmer verlassen, sobald die perverse Behindertenobsession hereinkommt - also meine Damen und Herren, dann werde ich neugierig - ablehnend, extrem ablehnend - aber erst mal neugierig. Und meine Neugier hat mir bislang eins gezeigt - wenn jemand in meinem privaten Umfeld versucht, mir abstruse Projektionen, Obsessionen oder andere für mich allzu stark entfremdete Annahmen über zu stülpen, und dabei auch auf eine Weise vorgeht, die weder respektvoll noch erwachsen, nicht ebenbürtig oder fair ist, der wird damit bei mir nicht wirklich weit kommen. Für einsichtige faire gleichwertige Deals bin ich immer offen - aber übers Ohr hauen, über den Tisch ziehen, in einer freundschaftlichen Beziehung derartig herum mogeln, also, das wird eine schwierige Sache.
Es gibt vereinzelt Behinderte, die dies nicht durchschauen, und dann vor allem auch einige, die das zwar sehr gut durchschauen, aber die Gesamtsituationen ausnutzen im Sinne eines Exploits - aber fast immer kommt es dann wie bei mir auch bei anderen Behinderten zur abgrundtiefen Ablehnung, die entweder klar kommuniziert wird oder auch nicht, oder es kommt eventuell zu recht weitgehend parasitären Beziehungsformen, die aufgrund fehlender gemeinsamer Bedeutungs- und Bewertungswelt und sich daraus rasch ergebendem fehlendem Respekt stets irgendwo belastend sind. Es mag bestimmt einzelne Ausnahmen geben, aber wenn behauptet wird, "Amelos" oder "Amelinen" böten sich gemeinhin als Partner oder Partnerinnen geradezu an, ist das doch praktisch nie der Fall.
Stumpf- und Behinderungsfetischisten finden sich besonders dort, wo Behinderte "betreut" (aber auch angeschaut, kennengelernt, ausgefragt werden können). Das darf einen nicht überraschen. Man trifft dort einfach gehäuft auf solche Personen, da darf man sich nicht wundern. Das umfasst ohne weiteres Online-Portale (da werden auf einem einschlägigen Forum etwa durchaus auch Amelotisten, die sich auf abgekarteten "Raubzug" machen, um Behinderte von ihrer schrägen Ansicht zu "überzeugen", vor Behinderte gestellt, die dann verärgert reagieren und vom Forum ausgeschlossen werden, und zwar vermutlich schon alleine deswegen, weil die Leute, die das Forum betreiben, selbst solche Neigungen haben, und das auch zwangsläufig). Sicher trifft man ebenso zwangsläufig auf Leute, die zu amelotatistischen Übergriffen und zur tief sitzenden Bevormundung Amputierter neigen in den Bereichen Orthopädietechnik und in dem sehr breiten Bereich organisierter Veranstaltungen für Behinderte. Selbsthilfe unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird dort nirgends breit beworben oder offeriert, denn wir tauschen konkret Erfahrungen und konkrete Namen aus - und so ist auch das Fehlen privater Forumsbereiche in Online-Support-Installationen eben vom Fleck weg auf Amelotatismus verdächtig. Zwangsläufig. Wie oben gesagt - gegen Vorlieben hat keiner etwas einzuwenden. Aber diese Art Fetischismus zwingt offenbar die Betroffenen, über Behinderte in ihrer Gesamtheit menschlichen Seins doch hinwegzusehen, und das ist nicht akzeptabel. Darauf reagiert man gefühlsmässig ebenso wenig freundlich.
Diese Fetischisten waren zu fairer Anerkennung meiner behinderten Person als mündig, respektabel, selbständig, selbst denkend und selbst fühlen in meiner Erfahrung und Auseinandersetzung mit diesen bisher keinesfalls auch nur ein einziges Mal in der Lage. Stets folgt irgendwann eine absolute Herabwürdigung, man musste oder sollte sich von diesen Dinge bieten lassen, die (und das habe ich durchaus ausprobiert) sie sich in derselben masslosen Frechheit niemals von mir selbst bieten lassen würden. Denn kehre ich diesen anmassenden Spiess jeweils um, macht man die durchaus lohnenswerte Erfahrung, dass hier keinerlei Sportlichkeit im Geben und Nehmen besteht, dass die Fetischisten dann stets schroff, erregt, erstaunt und ärgerlich auf die wie sie meinen unverdiente Ungemach reagieren, die ich dann über sie herab breche - und dann eben, dass diese Art der Beziehung sich als gleichwertiges Miteinander niemals wirklich realisieren lassen wird. Und das ist dann ja für gewöhnlich das Ende der Tauschethik, so geht es ja nicht.
Dass hier Sadomasochismus, sonderbare Persönlichkeiten und anderes zusammenkommen können, und dass eventuell das Problem der nicht aushaltbaren Beziehung weniger mit der bei den Betroffenen vorhandenen Vorliebe als mit sado-masochistischen Objekterwartungen oder Persönlichkeitsproblemen allzu gravierender Natur zusammenhängt mag ja so sein - aber das hängt dann wohl in der Tiefe bei diesen Personen zusammen, und das darf mir auch Banane sein. Amelos und Amelinen wünschen offenbar, als "Individuen" wahrgenommen zu werden - aber ich mache auch zwischen Müllautos keinen Unterschied, oder zwischen Coca-Cola-Flaschen: hier vermute ich erst mal Einheit in der Vielfalt, und wenn ich meinen Alltag organisieren will, genügt das auch vollständig. Mir genügt also die Feststellung, dass Behindertenfetischismus üblicherweise in einer Art daherkommt, die durchaus gleichförmige, gleichartige, analoge Probleme verursacht, dem man ohne auch nur das geringste zu verpassen in grossem Bogen aus dem Weg gehen darf. In diesem Zusammenhang ist wie bereits erwähnt auf die sonderbarer Weise von Otto Bock mitfinanzierte Veroeffentlichung der Fotografiearbeit von Gerhard Aba hinzuweisen - und auf den Umstand, dass der Kundendienst von Otto Bock durchaus interessante (ich sprach oben von Neugier? ja, das tat ich) Personen zu beschäftigen scheint.
Es wäre jetzt falsch, zu sagen, dass das hier eine Negativ-Bewertung sei. Es ist eine Bewertung, aber insgesamt ist sie einem Miteinander sehr viel förderlicher als es den Anschein macht. Denn Abstand zu suchen, Sadismus zu benennen, das ist erstmal spezifisch und relevant, wichtig und deutlich - aber negativ ist es gar nicht. Ganz im Gegenteil - die Ruhe, der Friede, der sich einstellt, ist sehr angenehm. Ich nehme daher eine derartige Benennung und Erläuterung wie hier zunächst deswegen als positiv wahr, als sie Klarheit schafft, wo Nebel war. Und das ist grundsätzlich erstmal gut. Zweitens hilft es, Problemzonen zu kennen. Wer die Problemzonen kennt, geht damit besser um. Drittens ist im Behindertenfetischismus durchaus rohe, unverarbeitete Energie gespeichert, triebhaft aufgestaut, die Kunst besteht alleine darin, sie produktiv und gezielt zu nutzen, also eine Art informelles Fetischismuskraftwerk zu bauen. Das ist bisher nicht gelungen, aber dann ist dies ja auch eine persönliche Rave & Rant Blogsite, hier findet ja kein Workshop statt. Versucht wurde es natürlich - da verkaufen behinderte Frauen Fotos, die dann gratis weiter kopiert werden; da werden sexuelle Dienste von Behinderten angeboten. Aber man darf sich nichts vormachen - Amtelotatismus ist eine triebhafte Naturgewalt, keineswegs stets rational kontrollierbar.
Zusammengefasst ist zu sagen, dass es nicht schwer zu erkennen ist, wenn man in derartige Situationen läuft. Es atmet, bebt, drückt sich aus. Aber remember Rorschach. Ich kriege das wieder los, kann mich davon befreien, kann abends heimgehen. Hingegen die? Die können nirgendwo vor dem weglaufen, was sie da haben.
Der volle englische Aufsatz dazu ist hier zu lesen.
Von hinten her aufgelöst
Man kommt der Frage, wie der tägliche Umgang mit Amelotatist(in)en anzugehen ist, auch von hinten her auf die Spur:
- Grundregel im Leben darf sicher sein, dass bei Zweierbeziehungen langfristig IMMER der gewinnt, der mehr Abstand will. Ohne jede Ausnahme. Das bereitet meist keine Verständnisprobleme.
- Dass Amelos und Amelinen im Grunde üblicherweise, oft, typischerweise, erfahrungsgemäss etc. verlogen daherkommen, offen oder verborgen letztlich inakzeptable Forderungen stellen, und im Grunde für echte Zweierbeziehungen für gewöhnlich aus Sicht einer Person mit Amputation grundsätzlich nicht in Betracht kommen, ist genauso klar wie warum da Stroh rumliegt. Es gibt sicher die seltenen Ausnahmen, klar, aber wir reden ja vom Alltag. Und ohne jede Ausnahme wird man die ja dann auch wieder los. Man wird dies mitteilen, dann wird vielleicht etwas geschmollt, etc. aber auch das bereitet wenigstens in der Grundlage kaum Verständnisprobleme. Was nicht geht, geht nicht.
- Schwieriger wird es, wenn man die sich als solche entpuppenden Amelinen oder Amelos so austrickst, dass man der Sache vorzeitig rasch auf die Spur kommt (also lange bevor sie dies selbst her zeigen wollten), oder, wenn man andere Gründe zur Abkürzung des Verfahrens herbeizieht (was hier zu weit führt, dies ist ja kein Workshop). Denn im Grunde sind solche Begegnungsversuche meist, wenn nicht doch immer, am Ende pure reine Zeitverschwendung gewesen. Da hat dann das ganze Herumgetue was, vom Gefühl, das ist gerade mal so spannend wie sagen wir 13 Stunden Stau im Auto. Komischerweise bereitet das dann aber amelo-seitig durchaus immer wieder Verständnisprobleme. Ich bin nicht negativ. Ich finde dieselben Absurditäten in der Wiederholungsschlaufe nur unglaublich öde.
- Die Kombination von "ich bin Amelo", "ich mach mich jetzt ran aber erzähl mal nix" und "Amputationen sind so wie Brüste oder Haarfarbe hat jeder eine Vorliebe" ist notwendigerweise (ohne das jetzt auszudiskutieren aber glaubts mir das kommt am Ende raus) so unglaublich behämmert, das ist so dermassen strubbeldoof, dass alleine das zur Abwertung führt.